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Oszillatorische Kommunikation im menschlichen Gehirn

Abstract

Biologisch-Medizinischer Hintergrund

Hirnfunktionen basieren ganz wesentlich auf zeitlich hoch-dynamischen Interaktio­nen zwischen Neuronenverbänden innerhalb und zwischen verschiedenen Hirnre­gionen. Tierexperimentelle Untersuchungen, ursprünglich vor allem im visuellen System, haben gezeigt, dass die Synchronisation oszillatorischer neuronaler Aktivi­tät einen wichtigen neurophysiologischen Mechanismus für die neuronale Kommu­nikation darstellt (Schnitzler und Gross, 2005). In diesem Projekt wird die Physiolo­gie und Pathophysiologie der Kopplung oszillatorischer neuronaler Aktivität beim Menschen nicht-invasiv mittels Ganzkopf-Magnetenzephalographie (MEG) unter­sucht. In der letzten Periode hatten wir die Netzwerke des Parkinson-Ruhetremors, des voluntarischen Tremors und des hepatischen Tremors identifiziert und charak­terisiert (Schnitzler et al. 2006).

Ergebnisse

Im jetzigen Berichtszeitraum haben wir uns der Untersuchung des Schreibkramp­fes, des Wilson Tremors, des hepatischen Tremors und der schmerzinduzierten Veränderungen kortikaler oszillatorischer Aktivität gewidmet. Bei Patienten mit Schreibkrampf konnte eine abnorm starke oszillatorische Kopplung im 8-13Hz Frequenzband zwischen den beiden sensomotorischen Kortizes und eine vermin­derte zerebello-parietale Kopplung beobachtet werden, was auf eine bilaterale kortikale Störung trotz klinisch einseitiger Symptomatik und auf eine gestörte sen­somotorische Integration bei dieser Bewegungsstörung hinweist (Butz et al. 2006). Die Untersuchung von Patienten mit Wilson Tremor ergab, dass diesem Tremor­form ein ausgedehntes oszillatorisches Netzwerk in der Tremorfrequenz um 5Hz bestehend aus dem primären motorischen Kortex, dem lateralen prämotorischen Kortex, dem supplementär motorischen Kortex, dem posterioren parietalen Kortex, sowie dem Thalamus und Zerebellum zugrunde liegt (Südmeyer et al. 2006). Ein ähnliches Netzwerk ist auch in der Steuerung physiologischer Bewegungen aktiv, allerdings im Frequenzband von 8-12Hz (Pollok et al. 2005, 2006). In einer weiteren Studie konnten wir zeigen, dass oszillatorische Kommunikation in einem fronto-temporo-parietalen Netzwerk im 15-20 Hz Frequenzband die Aufmerksamkeits­leistung in einer visuellen Aufgabe widerspiegelt (Gross et al 2006). Schließlich konnten wir für Oszillationen im somatosensorischen Kortex einen direkten Zusam­menhang mit der neuronalen Erregbarkeit zeigen (Ploner et al. 2006a) und mit diesem Parameter räumlich ausgedehnte Veränderungen der kortikalen Erregbar­keit bei der Verarbeitung selektiver Schmerzreize beobachten (Ploner et al. 2006b)

Ziele für 2007-2008

In den nächsten Jahren sollen weitere Bewegungsstörungen mit nicht geklärter Pathophysiologie untersucht werden, wie z.B. tardive und L-Dopa induzierte Dyski­nesien, motorische Tics und der essentielle Myoklonus. Die gemeinsame Hypo­these dieser Untersuchungen ist, dass die klinisch sichtbaren Symptome dieser Krankheitsbilder, die unwillkürlichen Bewegungen, Ausdruck einer gestörten oszil­latorischen Kommunikation sensomotorischer Hirnareale sind. Ziel ist es, die den Symptomen zugrundeliegenden pathologischen Netzwerkoszillationen zu charakte­risieren und somit ein besseres Verständis pathophysiologischer Mechanismen als Voraussetzung für die Entwicklung rationaler Therapiestrategien zu erzielen. Darü­berhinaus soll die Bedeutung oszillatorischer Kommunikation für kognitive und emotionale Funktionen weiter untersucht werden.

Publikationen

Schnitzler, A. & Gross, J. (2005). Normal and pathological oscillatory communication in the brain. Nat Rev Neurosci, 6, 285-96.


Schnitzler, A., Timmermann, L. & Gross, J. (2006). Physiological and pathological oscillatory networks in the human motor system. J Physiol Paris, 99, 3-7.


Butz, M., Timmermann, L., Gross, J., Pollok, B., Dirks, M., Hefter, H. & Schnitzler, A. (2006). Oscillatory coupling in writing and writer's cramp. J Physiol Paris, 99, 14-20.


Sudmeyer, M., Pollok, B., Hefter, H., Gross, J., Butz, M., Wojtecki, L., Timmermann, L. & Schnitzler, A. (2006). Synchronized brain network underlying postural tremor in Wilson's disease. Mov Disord, 21, 1935-40.


Pollok, B., Gross, J., Muller, K., Aschersleben, G. & Schnitzler, A. (2005). The cerebral oscillatory network associated with auditorily paced finger movements. Neuroimage, 24, 646-55.


Pollok, B., Gross, J. & Schnitzler, A. (2006). How the brain controls repetitive finger movements. J Physiol Paris, 99, 8-13.


Gross, J., Schmitz, F., Schnitzler, I., Kessler, K., Shapiro, K., Hommel, B. & Schnitzler, A. (2006). Anticipatory control of long-range phase synchronization. Eur J Neurosci, 24, 2057-60.


Ploner, M., Gross, J., Timmermann, L., Pollok, B. & Schnitzler, A. (2006a). Oscillatory activity reflects the excitability of the human somatosensory system. Neuroimage, 32, 1231-6.


Ploner, M., Gross, J., Timmermann, L., Pollok, B. & Schnitzler, A. (2006b). Pain suppresses spontaneous brain rhythms. Cereb Cortex, 16, 537-40.

Kooperationsprojekte

AG Haas: Hochfrequente Oszillationen


AG Häussinger: SFB575, Mechanismen bei hepatischer Enzephalopathie


AG Siebler, Pathomechanismen der hepatischen Enzephalopathie


AG Zilles, SFB575, Mechanismen bei hepatischer Enzephalopathie


AG Seitz, Neuronale Plastizität

Verantwortlichkeit: