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Molekulargenetik der Gliome des Menschen

Der wissenschaftliche Schwerpunkt der Arbeitsgruppe liegt auf der Erforschung der molekulargenetischen Grundlagen primärer Tumoren des Nervensystems sowie der Identifizierung und klinischen Validierung neuer Biomarker für diese Tumoren. Durch ein besseres Verständnis der molekularen Pathogenese von Hirntumoren erhoffen wir uns außerdem neue Ansätze für eine gezieltere und besser wirksame Therapie dieser mehrheitlich bösartigen Neoplasien. Neben wissenschaftlichen Arbeiten zur Pathogenese von Meningeomen und Medulloblastomen stehen insbe­sondere die Gliome als häufigste Gruppe primärer Hirntumoren im Fokus unserer Forschung. In den vergangenen zwei Jahren haben wir uns dabei insbesondere mit der Identifizierung von neuen Tumorsuppressorgenen in Glioblastomen und oligo­dendroglialen Tumoren beschäftigt. Es gelang uns auf der Basis von Mikroarray-basierten Screening-Verfahren, neue genetische und epigenetische Veränderungen in diesen Tumoren zu finden, unter denen die aberrante Hypermethylierung der Gene MGMT und CITED4 als molekularer Marker für das Ansprechen auf Radio- und Chemotherapie bzw. das Gesamtüberleben von besonderer Bedeutung ist.

Ergebnisse

Unsere molekulargenetischen Analysen an oligodendroglialen Tumoren haben in den vergangenen beiden Jahren wesentliche Fortschritte erbracht. So konnten wir erstmalig nachweisen, dass diese Tumoren, insbesondere wenn sie kombinierte Allelverluste auf den Chromosomenarmen 1p und 19q aufweisen, sehr häufig eine Hypermethylierung im Promoter des DNA-Reparaturgens MGMT aufweisen, wel­ches dann nicht mehr transkribiert und exprimiert wird (Möllemann et al. 2005). Diese Veränderung ist sehr wahrscheinlich mitverantwortlich dafür, dass Oligo­dendrogliome mit 1p/19q-Deletionen besser auf eine Radio- und Chemotherapie ansprechen. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Prof. Peter Lichter, DKFZ Heidelberg, gelang uns die Identifizierung neuer Kandidaten für die auf 1p oder 19q lokalisierten Oligodendrogliom-assoziierten Tumorsuppressorgene. So fanden wir, dass das CITED4-Gen auf 1p34 in der Mehrheit der Oligodendrogliome mit 1p-Deletionen hypermethyliert und transkriptionell inaktiviert ist (Tews et al. 2006, 2007). Zusätzlich konnten wir nachweisen, dass die CITED4-Hypermethylie­rung einen neuen, unabhängigen prognostischen Marker für Patienten mit einem Oligodendrogliom darstellt (Tews et al. 2007). Ein ebenfalls sehr interessantes Kandidatengen ist NOTCH2, das proximal auf 1p sehr nahe am Centromer lokali­siert ist. Zusammen mit der Arbeitsgruppe von Prof. Adrian Merlo, Universität Basel, fanden wir heraus, dass der Bruchpunkt der 1p-Deletionen in der Mehrheit der Oligodendrogliome im NOTCH2 Gen liegt, wohingegen 1p-Deletionen in Glio­blastomen zumeist nur partiell sind und unterschiedliche, weiter distal gelegene Bruchpunkte auf 1p aufweisen. Nur die Tumoren mit proximalen Bruchpunkten in NOTCH2 zeigen das klinisch günstige Verhalten mit Ansprechen auf Radio-und Chemotheraie sowie langer Überlebenszeit (Boulay et al. 2007). In einer weiteren, unabhängigen Studie haben wir die Bedeutung einer aberranten Methylierung und Expression des EMP3 Gens auf 19q13 in oligodendroglialen und astrozytären Tumoren bestätigt (Kunitz et al. 2007).


Unsere Untersuchungen zur molekularen Pathogenese von Glioblastomen um­fassten u.a. den Nachweis von genetischen Veränderungen der Gene PIK3CA und PIKE in jeweils einem Teil dieser Tumoren (Knobbe et al. 2005) sowie die Identifi­zierung neuer Kandidatengene, die in der malignen Progression von niedrig­gradigen Astrozytomen zum sekundären Glioblastom von Bedeutung sind (von den Boom et al. 2006). Insgesamt 70 Gliome unterschiedlicher Malignität wurden in einer Pilotstudie mittels Array-CGH untersucht, um das Potential dieser Methoden in der molekularen Diagnostik von Gliomen zu explorieren (Roerig et al. 2005). Unsere Resultate belegen, dass eine biomathematische Klassifikation von Gliomen auf der Basis ihrer genomischen Profile ein sehr vielversprechender Ansatz ist, der nun im Rahmen des Deutschen Gliomnetzwerks prospektiv validiert werden wird. Weitere in den vergangenen 2 Jahren abgeschlossene und publizierte Projekte umfassten die molekulare Charakterisierung von niedriggradigen astrozytären Gliomen, darunter pleomorphe Xanthoastrozytome (Weber et al. 2007) und pilozy­tische Astrozytome (Sharma et al. 2007). In Kooperation mit der Gruppe von Prof. Michael Weller, Universität Tübingen, habe wir zudem translationale Analysen zur Bedeutung der MGMT-Hypermethylierung für die Chemotherapie von Glioblastom­patienten im Rahmen einer klinischen Phase II Studie durchgeführt (Herrlinger et al. 2006).

Ziele für 2007/08

Die wichtigsten Ziele unserer Forschungsarbeiten für die kommenden Jahre sind: (1) Die weitergehende molekulargenetische Charakterisierung von Gliomen, wobei sich ein neuer, hochinteressanter Schwerpunkt im Bereich der aberranten Expres­sion und Regulation von Mikro-RNAs abzeichnet; (2) Die Validierung der klinischen Bedeutung molekularer Marker in Gliomen anhand von großen, prospektiven multi­zentrischen Studien; (3) die Charakterisierung eines von uns etablierten neuen transgenen Mausmodells für Medulloblastome. Für die zur Erreichung dieser Ziele notwendigen Forschungsarbeiten ist es uns gelungen, entsprechende Drittmittel von der DFG, der Deutschen Krebshilfe und dem BMBF einzuwerben, durch die wir in den nächsten Jahren unterstützt werden. Wir hoffen, dass die zu erwartenden Ergebnisse wesentliche Beiträge zur Aufklärung der molekularen Pathogenese und Verbesserung der Diagnostik von Gliomen erbringen werden.

Eigene Publikationen zu diesem Thema

Knobbe CB, Trampe-Kieslich A, Reifenberger G. Genetic alteration and expression of the phosphoinositol-3-kinase/Akt pathway genes PIK3CA and PIKE in human glioblastomas. Neuropathol Appl Neurobiol. 2005 Oct;31(5):486-90.

Roerig P, Nessling M, Radlwimmer B, Joos S, Wrobel G, Schwaenen C, Reifenberger G, Lichter P. Molecular classification of human gliomas using matrix-based comparative genomic hybridization. Int J Cancer. 2005 Oct 20;117(1):95-103.

Möllemann M, Wolter M, Felsberg J, Collins VP, Reifenberger G. Frequent promoter hypermethylation and low expression of the MGMT gene in oligodendroglial tumors. Int J Cancer. 2005 Jan 20;113(3):379-85.

Tews B, Felsberg J, Hartmann C, Kunitz A, Hahn M, Toedt G, Neben K, Hummerich L, von Deimling A, Reifenberger G, Lichter P. Identification of novel oligodendroglioma-associated candidate tumor suppressor genes in 1p36 and 19q13 using microarray-based expression profiling. Int J Cancer. 2006 Aug 15;119(4):792-800.

Herrlinger U, Rieger J, Koch D, Loeser S, Blaschke B, Kortmann RD, Steinbach JP, Hundsberger T, Wick W, Meyermann R, Tan TC, Sommer C, Bamberg M, Reifenberger G, Weller M. Phase II trial of lomustine plus temozolomide chemotherapy in addition to radiotherapy in newly diagnosed glioblastoma: UKT-03. J Clin Oncol. 2006 Sep 20;24(27):4412-7.

Felsberg J, Yan PS, Huang TH, Milde U, Schramm J, Wiestler OD, Reifenberger G, Pietsch T, Waha A. DNA methylation and allelic losses on chromosome arm 14q in oligodendroglial tumours. Neuropathol Appl Neurobiol. 2006 Oct;32(5):517-24.

van den Boom J, Wolter M, Blaschke B, Knobbe CB, Reifenberger G. Identification of novel genes associated with astrocytoma progression using suppression subtractive hybridization and real-time reverse transcription-polymerase chain reaction. Int J Cancer. 2006 Nov 15;119(10):2330-8.

Weber RG, Hoischen A, Ehrler M, Zipper P, Kaulich K, Blaschke B, Becker AJ, Weber-Mangal S, Jauch A, Radlwimmer B, Schramm J, Wiestler OD, Lichter P, Reifenberger G. Frequent loss of chromosome 9, homozygous CDKN2A/p14(ARF)/CDKN2B deletion and low TSC1 mRNA expression in pleomorphic xanthoastrocytomas. Oncogene. 2007 Feb 15;26(7):1088-97.

Sharma MK, Mansur DB, Reifenberger G, Perry A, Leonard JR, Aldape KD, Albin MG, Emnett RJ, Loeser S, Watson MA, Nagarajan R, Gutmann DH. Distinct genetic signatures among pilocytic astrocytomas relate to their brain region origin. Cancer Res. 2007 Feb 1;67(3):890-900.

Boulay JL, Miserez AR, Zweifel C, Sivasankaran B, Kana V, Ghaffari A, Luyken C, Sabel M, Zerrouqi A, Wasner M, Van Meir E, Tolnay M, Reifenberger G, Merlo A. Loss of NOTCH2 positively predicts survival in subgroups of human glial brain tumors. PLoS ONE. 2007 Jun 27;2:e576.

Tews B, Roerig P, Hartmann C, Hahn M, Felsberg J, Blaschke B, Sabel M, Kunitz A, Toedt G, Neben K, Benner A, Deimling A, Reifenberger G, Lichter P. Hypermethylation and transcriptional downregulation of the CITED4 gene at 1p34.2 in oligodendroglial tumours with allelic losses on 1p and 19q. Oncogene. 2007 Jul 26;26(34):5010-6.

Trost D, Ehrler M, Fimmers R, Felsberg J, Sabel MC, Kirsch L, Schramm J, Wiestler OD, Reifenberger G, Weber RG. Identification of genomic aberrations associated with shorter overall survival in patients with oligodendroglial tumors. Int J Cancer. 2007 Jun 1;120(11):2368-76.

Kooperationsprojekte

Innerhalb des BMFZ haben wir in den Jahren 2005-2006 mit den Arbeitsgruppen von Herrn Prof. T. Ruzicka, Hautklinik, und Herrn Prof. K. Zilles, Institut für Medizin, Forschungszentrum Jülich, gemeinsame Forschungsprojekte durchgeführt. Aus diesen Kooperationen gingen die folgenden Veröffentlichungen hervor:

Reifenberger J, Wolter M, Knobbe CB, Kohler B, Schonicke A, Scharwachter C, Kumar K, Blaschke B, Ruzicka T, Reifenberger G. Somatic mutations in the PTCH, SMOH, SUFUH and TP53 genes in sporadic basal cell carcinomas. Br J Dermatol. 2005 Jan;152(1):43-51.

Floeth FW, Pauleit D, Wittsack HJ, Langen KJ, Reifenberger G, Hamacher K, Messing-Junger M, Zilles K, Weber F, Stummer W, Steiger HJ, Woebker G, Muller HW, Coenen H, Sabel M. Multimodal metabolic imaging of cerebral gliomas: positron emission tomography with [18F]fluoroethyl-L-tyrosine and magnetic resonance spectroscopy. J Neurosurg. 2005 Feb;102(2):318-27.

Pauleit D, Floeth F, Hamacher K, Riemenschneider MJ, Reifenberger G, Muller HW, Zilles K, Coenen HH, Langen KJ. O-(2-[18F]fluoroethyl)-L-tyrosine PET combined with MRI improves the diagnostic assessment of cerebral gliomas. Brain. 2005 Mar;128(Pt 3):678-87.

Patente

"CITED4 as prognostic marker in oligodendrogliomas" (patent EP 05026117.1); Inventors: B. Tews, P. Roerig, M. Hahn, A. von Deimling, G. Reifenberger, P. Lichter

Verantwortlichkeit: